Gewerkschaften Europas gegen Rechts
Tauschen sich europäische Gewerkschafter_innen ausreichend aus, wenn es um ihren Kampf gegen den Rechtsextremismus in Betrieben und unter Mitgliedern geht? Wie können Gewerkschaften grenzüberschreitend strategisch zusammenarbeiten? Und wie hilfreich ist das überhaupt, angesichts unterschiedlicher politischer Verhältnisse? Diesen Fragen gingen – erstmals gemeinsam – der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die französischen Gewerkschaften CFDT, CGT und UNSA zusammen mit der italienischen Gewerkschaft CGIL nach. Eingeladen dazu hatte das Pariser Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) am 16. April in Paris.
„Gemeinsam gegen die extreme Rechte" lautete der programmatische Titel, den die Gewerkschaftsspitzen auch als Aufforderung verstanden wissen wollten. Marylise Léon, seit wenigen Monaten neue Generalsekretärin des französischen Gewerkschaftsbundes CFDT, Sophie Binet, Generalsekretärin der CGT, und Dominique Corona, Nationalsekretär der UNSA, beschrieben den Zustand der Demokratie in Frankreich als kritisch. Der rechtsextreme Rassemblement National unter Marine Le Pen, habe seine weitgehende „Normalisierung“ erreicht und sich als stärkste und einzige politische Alternative zur Präsidentschaftspartei Emmanuel Macrons fest etabliert. Es gäbe nur noch die Gewerkschaftsbewegung, die überzeugende Glaubwürdigkeit als Bollwerk gegen Rechtsextreme für sich in Anspruch nehmen könne. Andere französische demokratische Parteien hätten in der Vergangenheit nicht konsequent die Brandmauer aufrechterhalten und damit selber zu den heutigen 30 Prozent Zustimmung für den RN beigetragen. Die Mitgliederschaften der drei Gewerkschaften bildeten da keine Ausnahme.
Noch düsterer blickte Maurizio Landini, Generalsekretär des Allgemeinen Italienischen Gewerkschaftsbundes (CGIL), auf die gesellschaftliche Entwicklung seines Landes, in dem die (Post-)Faschistin Georgia Meloni nun regiert. Die Regierung arbeite daran, durch weitgehende Gesetzesänderungen die Position der Arbeitnehmer_innen nachhaltig zu schwächen, „gelbe Gewerkschaften“ aufzubauen und existierende Gewerkschaften kalt zu stellen.
Angesichts der zwar in den Ländern unterschiedlich ausgeprägten, aber europaweit zunehmenden Bedrohung durch die extreme Rechte wurde klar, dass jede einzelne Gewerkschaft zwar Strategien und Abwehrmaßnahmen anwendet, es jedoch bisher keine regionale und internationale strategische Zusammenarbeit gibt. Auf Unternehmensebene konzentrieren sich alle Gewerkschaften mehrheitlich auf drei Schwerpunkte: Information (verstehen, identifizieren und die Ideologie der extremen Rechten entlarven), Ausbildung der Aktivisten und Aktionen. Auch das Ziel der einzelnen Gewerkschaften wurde klar benannt: Die Auseinandersetzung mit den eigenen Mitgliedern suchen und gemeinsam Verantwortung für die Demokratie übernehmen.
Dass dabei eine engere strategische und internationale Zusammenarbeit notwendig wird, davon sind auch Gewerkschaftsforscher Hans-Jürgen Bieling von der Universität Tübingen und Safia Dahani, Politikwissenschaftlerin an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) überzeugt. Dahani beobachtete fünf Jahre lang intensiv den Rassemblement um dessen Vorgehen zu analysieren. Bieling war Autor der Friedrich-Ebert-Stiftungs-Broschüre "Gewerkschaften und Rechtspopulismus in Europa“. https://library.fes.de/pdf-files/international/20315.pdf
Die Aufzeichnung der von der Leiterin der FES Paris, Adrienne Woltersdorf, moderierten Diskussion können Sie sich hier anschauen.
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