Friday, 29.11.2024

Energiearmut: Welche Herausforderungen für Frankreich und Deutschland?

Deutsch-Französisches Kolloquium in Kooperation mit der Fondation Abbé Pierre

Energiearmut, für die es in Deutschland nicht einmal eine allgemein anerkannte Definition gibt, ist in Zeiten hoher Gas- und Strompreise für immer mehr Haushalte eine reale Bedrohung. Energiearmut oder Energie-Prekarität, droht, wenn hohe Energiepreise, unzureichende Ressourcen und schlechte Wohnqualität aufeinandertreffen.


Um der in beiden Ländern zunehmenden Schieflage im deutsch-französischen Kontext mehr Sichtbarkeit zu verschaffen, organisierte das Pariser Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Fondation Abbé Pierre, die sich für bezahlbares Wohnen engagiert, am 29. November 2024 ein Kolloquium zum Thema "Prekäre Energieversorgung: Welche Herausforderungen gibt es in Frankreich und Deutschland?".

Anders als in Deutschland ist in Frankreich die Energiearmut seit 2010 gesetzlich definiert. Sie ist damit Messgröße und Gegenstand spezifischer öffentlicher Maßnahmen, die auf die von Energiearmut betroffenen Haushalte und Bevölkerungsgruppen mildernd einwirken. Im Gegensatz dazu ist der deutsche Sozialstaat noch immer „blind“ für das eigenständige Thema Energie-Prekarität, da allgemein angenommen wird, diese würde durch existierende Transfer-Leistungen abgemildert. Es ist somit kein eigenständiges Thema sozialer Politik. Der deutsche Staat macht die Energiearmut einer Vielzahl von Haushalten, zum Beispiel derjenigen von Haushalten mit minimalen Renten, die keine Transfer-Leistungen erhalten, damit allerdings unsichtbar. Die deutsche Sozialgesetzgebung stützt sich auf prinzipiell auf das im Grundgesetz seit 1949 postulierte "Recht auf Menschenwürde" und subsumiert hiervon abzuleitende Bedarfe um diese global zum Beispiel mit Bürgergeld-Zuwendungen abzudecken.


Anders als bei staatlichen Institutionen ist Energiearmut jedoch bei zivilgesellschaftlichen Organisationen ein gut eingeführter Begriff. Hier existiert bereits seit Jahren ein reichhaltiges Ecosystem. So konnte im Kolloquium ein Augenmerk auf das Programm "Stromspar-Check", der Caritas in Deutschland geworfen werden, das Haushalte beim Energiesparen berät, aber auch durch Beantragunsprozesse für Hilfsmaßnahmen führt. Auf französischer Seite wurde das Beispiel des Slime (Service local d'intervention pour la maîtrise de l’énergie) -Programms vorgestellt, das vom CLER-Netzwerk auf der Ebene der französischen Gemeinden umgesetzt wird. Es bietet einkommensschwachen Hausbesitzenden und Mieter_innen Unterstützung bei der Evaluierung von Gebäude- und Gerätezustand, der Anwendung von Energiesparmaßnahmen und berät bei der Finanzierung und Durchführung energetischer Sanierungen.
Durch einen Blick auf zahlreiche Daten, zum Beispiel von Strom-Abstellungen nach Zahlungsverzug bei Versorgern, wird deutlich, dass in beiden Ländern eine wachsende Zahl von Haushalten zum Beispiel Alleinerziehender, Geringverdiener und der unteren Mittelschicht, zunehmend Schwierigkeiten hat, sich die hohen Energiepreise „zu leisten“ – und daher immer öfter im Kalten sitzt, auf heiße Mahlzeiten verzichtet oder digital abschaltet. Das alles mit erheblichen sozialen und gesundheitlichen Folgen.


Diskutiert und verglichen wurden daher verschiedene Instrumente zur Bekämpfung der Energiearmut, die es auf lokaler und nationaler Ebene gibt. Diese können jedoch nur eine breite Wirksamkeit entfalten, bzw. erst von nationalstaatlichen oder regionalen Ebenen eingefordert werden, sofern Energiearmut auch auf europäischer Ebene als Problem erkannt wird. So könnte die Einführung eines ETS-2-Kohlenstoffmarktes für Heizung und Transport zu einem Preisanstieg führen und sich somit negativ auf die europäischen Haushalte auswirken, von denen 9%, d. h. 42 Millionen Menschen, von Energiearmut betroffen sind.


Die Fondation Abbé Pierre konnte von ihrer breiten europäischen Initiative für ein europaweites Verbot von Stromabschaltungen durch Versorger berichten. Eine entsprechende Regelung und Verbot ist nun, nach vielen Anläufen, in einem Gesetzentwurf des EU-Parlamentes enthalten. Dies stellt einen wichtigen Schritt im Kampf gegen unwürdige Wohnverhältnisse auf europäischer Ebene dar, doch - so das Fazit –
muss in beiden Ländern noch viel im Bereich Wohnungsqualität, energetisches Sanieren und bezahlbare nachhaltige Energie getan werden – eine echte Querschnittaufgabe für zahlreiche Ressorts.

Programm

09:00                  Grußworte

 

09:10                           Energiearmut: Bestandsaufnahme für Frankreich und Deutschland

  • Rachel Guyet, Politikwissenschaftlerin, Leiterin des Programms Master in Global Energy Transition, Internationales Zentrum für Europäische Bildung (CIFE)   

 

09:30 - 11:00                 Von der lokalen bis zur nationalen Ebene: Welche Handlungs-möglichkeiten gibt es in Frankreich und Deutschland, um Energiearmut wirksam zu bekämpfen?

  • Marie-Louise Zeller, Scientific Advisor, Zukunft Klimasozial
  • Eleonore Vinais, Projektleiterin Energiearmut, CLER, Réseau pour la transition énergétique

 

Kommentar: Claire Vogt, Referentin für das Projekt „Stromspar-Check“, Deutscher Caritasverband

 

11:00 – 11:15                   Pause

 

11:15 – 13:00                   Welche europäischen Initiativen für eine minimale Energieversorgung für alle?

 

  • Sarah Coupechoux, Leiterin für Europapolitik, Fondation Abbé Pierre
  • Marion Guénard, Senior Advisor, EU Climate Policy and Franco-German cooperation, Germanwatch e.V

 

Moderation:  Sophie Martiné, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, FES Paris

 

Deutsch-französische Simultanübersetzung

Friedrich-Ebert-Stiftung
Bureau de Paris

41 bis, bd. de la Tour-Maubourg
75007 Paris
France

+33 (0) 1 45 55 09 96
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